Heulen oder Handeln? Der Krefeld Podcast

F21 Was kennzeichnet die europäische Stadt, Herr Neumeyer?

Projekt MIK

Unser Gast: Prof. Dr. Fritz Neumeyer, Architekt, Architekturtheoretiker, Spezialist für Ludwig Mies van der Rohe und Inhaber des Lehrstuhls für Architekturtheorie an der TU Berlin von 1993 bis zu 2012. 

Der renommierte Architekturtheoretiker Fritz Neumeyer hat sich mit Architekten und Theoretikern sehr verschiedener Generationen beschäftigt, mit Zeitgenossen wie Oswald Mathias Ungers und Hans Kollhoff, mit modernen wie Ludwig Mies van der Rohe (Das kunstlose Wort) oder dessen Lehrer Peter Behrens, aber mit auch Karl Friedrich Schinkel und Leone Batista Alberti, dem Verfasser der ersten Publikation zur Architekturtheorie um 1540. Immer wieder mischt er sich vor allem in Berliner Debatten zum Städtebau ein. 2015 gehörte er zu den Referenten des internationalen Symposiums The Reality of the City: Continuity and Change. Learning from the Seventies in Turin. 

Im Podcast sprechen wir mit ihm über die  europäische Stadt, ihre Veränderung durch die Moderne und ihr Potenzial als Stadt der Zukunft. „Wer in Europa Stadt sagt, sagt Geschichte.“ Die Stadt sei kein „technisches Konstrukt“ sondern das Ergebnis von „gelebtem Leben“. 

Die „Erlösungsphantasien“ der Architekten der Moderne, die mit dem städtebaulichen Konzept der  aufgelockerten Bebauung  und mit Funktionstrennung die Städte besser und gesünder machen wollten, teilt er nicht. „Das urbane Bedürfnis des Europäers hat sich nicht sehr geändert. Wir haben alle den Wunsch nach Leben mit gefüllten öffentlichen Räumen, wo wir Menschen begegnen können, es aber nicht müssen.“ Stadtleben sei durch Komplexität, Vielfalt und auch Widersprüchlichkeit geprägt.

Für Fritz Neumeyer ist der Rückblick und auch Rückgriff auf die Geschichte der Architektur bei der Planung für die Gegenwart nicht automatisch rückwärtsgewandt, sondern ebenso bedeutend wie eine Vorstellung von der Zukunft zu haben. Beides gehöre zum Jetzt und in beidem stecke die Perspektive unserer Gegenwart.

Wir sprachen mit ihm über das Verhältnis von Privatheit und Öffentlichkeit im städtischen Raum, Irrtümer der Stadtentwicklung im 20 Jahrhundert, die Neubewertung von Urbanität seit den 1970er-Jahren und Leone Battistas Forderung nicht nur in der Stadt, sondern auch für die Stadt zu bauen. 

Themen: Die Europäische Stadt; Aldo Rossi, Theorie der Permanenz; Modernitätsstress, Julius Posner: Appart und Gegenstand; Funktionstrennung in der Stadtplanung; Das Gestern als Vorbild; Bedeutung von Erinnerung für unser Denken und Handel; Reurbanisierung; Sanierung in den 1970er Jahren; Hardt Waltherr „Gustav“ Hämer 1922 – 2012 „Vater der behutsamen Stadterneuerung“; Maastricht Kaufhaus entre deux; Berlin: Palast der Republik und Rekonstruktion des Stadtschlosses; Rekonstruktion Karl Friedrich Schinkel, Bauakademie und Neues Museum, Berlin; öffentlicher Raum; Bedeutung der Straße; Stadtraum in der Moderne; Bedeutung des Hofs in der Stadtplanung; die Stadt als Bauherrin; Öffentlichkeit-Privatheit; das Bedürfnis nach Urbanität. 

Erwähnte Werke
Aldo Rossi, Die Architektur der Stadt, 1966
Karl Friedrich Schinkel, Perspektive der Treppe des Neuen Museums, Berlin: https://de.wikipedia.org/wiki/Altes_Museum#media/Datei:SAE_MuseumTreppe.jpg
Christoph Mäckler (Hg.), Birgit Roth u. A.: Handbuch der Stadtbaukunst. 2022